Geschichte
Flachs ist eine der ältesten Textilpflanzen. Die vielen Flachsarten sind im südlichen Europa und in den Mittelmeergegenden wildwachsend, und hier finden wir denn auch die ersten Spuren von Flachsanbau. Vor 7000 Jahren baute man in Mesopotamien Flachs an, und in den folgenden Jahrtausenden finden wir den Flachs bei den Ägyptern, den Schweizern der jüngeren Steinzeit in ihren Pfahlbauten, bei den Griechen und den Römern – und später bei den Deutschen und Skandinaviern der Eisenzeit.
Heutzutage ist der Flachsanbau über große Teile der Erde verteilt; als Textilpflanze verwendet man aber fast nur in Europa den Lein. In den anderen Kontinenten baut man ihn nur um der ölhaltigen Samen willen an.
Eine hohe Qualität der Flachsfasern ist davon bedingt, daß die Temperatur in der Wachstumsperiode wenig wechselt. Deshalb ist ein Küstenklima oder ein Inselklima vorzuziehen und folglich ist Flachs von Flandern, Irland oder den Baltischen Ländern gut. Aber auch in dem enormen Prozentteil der Weltproduktion, mit dem Rußland beiträgt, finden wir gute Qualitäten.
Die letzten hundert Jahre ist der Flachsbau stark zurückgegangen – wegen der Konkurrenz durch Baumwolle und die modernen Kunstfasern. Nur in Perioden mit Versorgungsschwierigkeiten, z.B. in Kriegszeiten oder wenn die Mode einen Übergang leinene Anzüge diktiert, ist der Anbau etwas vorgegangen.
Botanik
Die Flachsfamilie ist groß. Sie umfasst 25 Gattungen mit zusammen 500 Arten.
Die Gattung Flachs oder Lein ist eine davon. Sie umfasst 200 Arten.
In Skandinavien ist nur eine Art einheimisch: Linum cartharticum.
Man hat viele Kreuzungsformen gemacht. Diese geben mehr Samenkapseln und größere Samen als der eigentliche Faserflachs.
Sie geben längere Fasern als der Ölflachs, sind aber nur in Mischgarnen (mit Baumwolle) verwendbar.
Die Farben der Blüten variieren sehr – von Weiß bis zu einem satten Blau – oder sogar Rot.
Die Samen sind von hellgelb über braun bis schwarzbraun.
Anbau
Der Flachs braucht gute, tiefe Muttererde. Nicht nur die Hausfrau, sondern auch die Mägde hatten einen Acker min Flachs für ihre spätere Aussteuer.
Der Bauer säte den Flachs. Dicht, damit die Fasern lang und fein würden.
Beim Jäten mussten alle ins Feld, Knechte, Mägde, Kinder. Man musste vorsichtig sein, um die Pflanzen nicht zu stören. Zehn Menschen konnten in einem Tag zwei Morgen Land jäten.
Flachsbau war mit vielem Aberglauben verknüpft. Z.B. steckte man Reiser in die Erde um dem Flachs zu zeigen, wie hoch er werden sollte.
Die einzelne Pflanze blüht wenige Stunden.
Raufen Nachtrocknen Riffeln
Wenn die Samenkapseln anfingen gelb zu werden, war es Zeit, den Flachs zu ernten. Das geschah mitten in der Getreideernte.
Je früher man erntete, je feiner war der Flachs. Wartete man, bis alle Samen reif waren, wenn alle Samenkapseln gelb waren, wurden die Fasern schwach und grob und taugten nicht zum Spinnen von feineren Fäden.
Der Flachs wurde gerauft, d.h. mit den Wurzeln ausgezogen. Dadurch verhinderte man, dass die Fasern während des Trocknens auf dem Feld beschädigt wurden.
Der Flachs wurde gebündelt; die Strohgebinde heißen auf deutsch Hütten, Puppen oder Kapellen. Diese wurden aufgestellt, damit der Flachs trocknen und nachreifen könnte.
Wenn das Getreide heimgebracht war, kam der Flachs an die Reihe. Falls die Samen ganz trocken geworden waren, musste man vorsichtig fahren, damit sie nicht unterwegs abfielen.
An einem Balken in der Tenne oder unter einem Halbdach befestigte man man einen großen Kamm, eine Riffel. Handvoll für Handvoll zog man den oberen Teil der Pflanzen durch die Riffel, und die Samenkapseln wurden so abgestreift.
Für das Reinigen der Samen benutzte man verschiedene Geräte, Z.B. ein Sieb oder einen Trog. Eine Portion Samen wurde für die Saat des nächsten Jahres zurückgehalten.
Flachssamen kennt man heute als verdauungsregulierendes Mittel. Früher wurden sie zu vielerlei Zwecken verwendet. Man mischte oft gekochte Samen in die Milch für die Mastkälber. Flachssamentee war ein Mittel gegen Darmgrimmen, Nierensteinkrankheit und trockenes Husten.
In Milch oder Wasser gekochte geriebene Samen legte man auf Anschwellungen.
Vor der Walpurgisnacht streute man Flachssamen um den Hof gegen Hexen und Wichte.
Röste
Nach dem Riffeln sollte der Flachs geröstet werden. Das Rösten ist ein Gärungs- oder Verfaulungsprozess, der angehalten wird, wenn nur die Fasern unbeschädigt sind. Dadurch lassen sich die übrigen Teile leichter entfernen.
Man kann Tauröste oder Wasserröste wählen. Beide Methoden haben Vor- und Nachteile. Dies ist seit viele hundert Jahren ein beliebtes Diskussionsthema.
Wichtig ist es, die Röste rechtzeitig zum Aufhören zu bringen. Bei zu kurzem Rösten kann man die Schäben nicht von den Fasern trennen, und bei zu langem Rösten werden die Fasern mürbe und können nicht gesponnen werden. Man untersucht durch Trocknen und Brechen von ein paar Stängeln, ob das Rösten fertig ist.
Tauröste geschah auf einem gegen den Wind geschützten Grasfeld. 4 – 8 Wochen, je nach der Feuchtigkeit des Wetters lag der Flachs auf dem Feld; man musste ihn einige male wenden, um alle Stängeln feucht zu halten, damit die Verfaulung nicht aufhörte.
Wasserröste geschah in stillem Wasser, in einem Teich oder einem Graben. Die Röste verschmutzt und vergiftet das Wasser, folglich mußte man einen Teich oder einen Graben wählen, worin keine Fische lebten und woraus die Tiere nicht tranken.
Man musste den Flachs mit Steinen beschweren, um ihn nass zu halten. Wasserröste dauerte 7 – 14 Tage, je nach der Temperatur und der Qualität des Wassers.
Nach der Röste stellte man den Flachs zum Trocknen auf und brachte ihn danach in eine Scheune oder eine andere Stelle; Hauptsache war eine luftige und trockene Aufbewahrung.
Brechen
Durch das Brechen knickt man die Pflanzen und löst das durch das Rösten mürbe gewordene Holzmaterial, indem man gleichzeitig die Fasern voneinander trennt.
Beim Brechen muss der Flachs völlig trocken sein, man trocknet ihn über einem Feuer (in einem Flachsofen) oder an der Sonne.
Am besten trocknete man den Flachs über einem Feuer in einem Graben. Man mußte sehr vorsichtig sein, damit der Flachs nicht brennte, nur geübte und zuverlässige Personen durften den Flachs trocknen.
Eine einfachere, aber kaum so gute Methode war, an einem sonnigen Frühlingstag den Flachs an eine Südwand aufzustellen.
Das Brechen fand unmittelbar nach dem Trocknen statt. Handvoll für Handvoll knickte man die Halme zwischen den Kiefern der Breche (der Knicke), bis alle Schäben locker waren.
Nach dem Brechen hielt das Dorf ein Fest.
Die Schäben konnte man als Streu verwenden – oder als Brennmaterial, für das Trocknen der Flachsernte des nächsten Jahres oder in der Küche.
Schwingen
Nach dem Knicken (Brechen) sollten die Schäben vom Knickflachs entfernt werden. Diesen Vorgang nennt man Schwingen. Der Flachs wurde über ein Brett gelegt, und mit einer dünnen Latte (auch Messer genannt) wurde der Flachs ausgeschwungen.
Man arbeitete sitzend, gern im Freien wegen des Wirbelns der Schäben.
Das Schwingen war Frauenarbeit und es forderte gute Armkräfte, das Messer einen ganzen Tag zu schwingen.
Die Mägde des Dorfs schwangen oft gemeinschaftlich. Wenn alles ausgeschwungen war, hielten sie oft ein kleines Fest.
Die Schäben benutzte man oft als Streu für die Haustiere oder als Heizmaterial.
Die abgefallenen, kürzeren Fasern, das Werg, durfte auch nicht verloren gehen. Damit konnte man gröbere Garne spinnen, Seile machen oder Möbel polstern.
Die Geräte für das Schwingen waren von unterschiedlichen Formen je nach dem Landesteil; sie waren oft mit Schnitzarbeiten schön verziert; oft waren sie ein Geschenk für die Liebste.
Von der Mitte des 19. Jahrhunderts führte man in manchen Orten Schwingmaschinen, Schwingstände, mit mehreren Messern ein, die man mit einer Kurbel drehte. sie wurden oft von mehreren Leuten im Dorf gemeinschaftlich gekauft.
Almählich übernahmen reisende berufsmäßige Flachsschwinger die Schwingarbeit; auch das Brechen übernahmen sie mancherorts.
Hecheln
Das Hecheln war der letzte Vorgang vor dem Spinnen. Dadurch entfernte man die letzten Schäben und die kurzen Fasern, trennte und ordnete die langen Fasern parallel, so daß die Flachsriste fein und blank wurde.
Eine Hechel (oder ein Hechelstock) ist ein Brett mit vielen Reihen von Nadeln. Man benutzt immer zwei oder mehrere Hecheln von zunehmender Feinheit. Je feiner die Hechel, je feineren Faden. Zieht man die Riste viele Male durch die feinste Hechel, kann man Nähzwirn spinnen.
Die kürzeren Fasern, das Werg, sind u.a. als Spinnmaterial verwendbar, nur wird der Faden nicht so stark und glatt.
Um die Ordnung der Fasern zu bewahren umwand man den gehechelten Flachs mit einem Papierband oder hängte ihn in Zöpfen auf und arrangierte ihn fein in der großen Stube, um seinen Wohlstand zu demonstrieren.
Das Werg sammelte man in Bündeln oder in Rollen.
Spinnen
Spinnen ist ein zusammendrehen von Fasern zu einem Faden. Dies erfolgt am leichtesten an einem Trittspinnrad. Da hat man beide Hände frei.
Nach alter Sitte sollte man die Wolle des Jahres vor Weihnachten fertigspinnend. Nach Weihnachten konnte man das Leinspinnen anfangen. Nach Weihnachten waren die Flachsfasern nach dem harten Trocknen wieder etwas feucht geworden und deshalb leichter zu spinnen.
Bis zum Ende des 19. Jahrhunderts war es gewöhnlich, dass man selber seine Garne zu Hause spann. Das war eine Arbeit der Hausfrau; sie hatte außerdem die Pflicht, die Mägde spinnen zu lehren. Vier bis fünf Jahre musste eine Magd mit Wolle und stufenweise feinerem Werg üben, bevor sie den Flachs spinnen durfte.
Am schwierigsten war es, Nähfaden zu spinnen. Er sollte aus zwei ganz dünnen Fäden gezwirnt werden, d.h. in der entgegengesetzten Richtung von der Spinnrichtung gedreht werden. Der Nähzwirn mußte völlig glatt sein, sonst konnte man ihn beim Nähen nicht durch die Leinwand ziehen.
Bleiche
Wenn der Flachs gesponnen war, sollte er gebleicht werden.
Erst wurde das Garn in einer Aschenlauge gewaschen. Es wurde in ein Gefäß gelegt, und darüber spannte man ein Stück Leinwand aus. Darauf legte man feine, reine Asche, am besten Buchenasche, auf die Leinwand. Man goß siedendes Wasser auf die Asche so daß das Wasser durch die Leinwand geseiht wurde. Den Vorgang wiederholte man einige Male.
Danach klopfte man das Garn mit einem Klopfholz, spülte es und hängte es auf ein Gestell zur Bleiche.
Man brachte das Garn so an, dass es von der Straße gesehen werden konnte. Dann sah man, dass hier eine fleißige Hausfrau wohnte. Man sollte das Garn im März bleichen, weil die Frühlingssonne besonders stark wirkt. Nach Johannis bleichte man nicht.
Nach dem Weben sollte die neue Leinwand auch gebleicht werden. Der Vorgang war genau wie bei dem Garn. Die langen gewebten Stücke wurden auf einem Grasfeld zur Bleiche ausgebreitet, an den Seiten mit kleinen Holzpflöcken festgehalten. Die Leinwand sollte lange Zeit auf dem Feld liegen, und man musste aufpassen, daß Gänse und Hühner sie nicht betraten. Auch gegen Diebstahl mußte man Wache halten, besonders in der Nacht; das war keine beliebte Aufgabe!
Man nähte Bänder an die Seiten der Leinwand, um sie auf der Bleiche festzuhalten.
Flachsanbau Heute
Von etwa 1920 – 1930 ist der Anbau mechanisiert worden. Man benutzt jetzt Drillsaat statt Breitsaat. Deshalb kann man nun die Radhacke benutzen und spart somit die zeitraubende Handarbeit.
Man hat ausländische und wiederstandskräftigere Arten eingeführt, und für das Raufen hat man Raufmaschinen hergestellt. Als die Flachsbearbeitung (Brechen, Schwingen, Spinnen, Weben) industriell wurde und man den Vertragsanbau einführte, stellten die Fabriken Raufmaschinen zur Verfügung.
Während des ersten Weltkrieges intensivierte man den Anbau und hat Forschung betrieben, wodurch die Ausbeute wuchs; von der Mitte der dreißiger Jahre fiel die Produktion aber wieder.
Neuerdings baut man in Dänemark, von der EU angeregt, eine gewisse Menge Ölflachs an. Man gewinnt dadurch Leinöl für die Medizinal- und Farbenindustrie – und benutzt die Schäben in der Papierindustrie und für Möbelplatten.
Im Jahre 1987 betrug der Anbau 150 ha Faserflachs und 8500 ha Ölflachs.
Von der mechanisierten Flachsverarbeitung erzählt unsere Ausstellung über Hørfabrikken i Tommerup in der Maschinenhalle.